“Reiki Therapie”
Behandelst du noch oder therapierst du schon?
Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff „Therapeut:in“
Ein kleiner Disclaimer vorab: Ich möchte mit diesem Artikel niemanden persönlich angreifen, der sich Therapeut:in nennt. Es geht mir lediglich darum, mich kritisch mit dem Begriff zu befassen. Vor allem aber geht es mir darum, Klient*innen über potentielle Missstände aufzuklären und Transparenz zu verschaffen.
Im deutschsprachigen Raum ist oftmals von „Reiki Therapie“ oder „Reiki Therapeut*in“ die Rede. Allerdings kann der Begriff „Therapeut“ im Kontext von Energiearbeit sehr irreführend sein. Denn Energetiker*innen arbeiten wie der Name bereits andeutet auf der energetischen Ebene. Sie üben keinen Heilberuf aus, wie das etwa bei Psychotherapeut*innen der Fall ist.
Reiki Therapie – Wer darf sich „Therapeut“ nennen?
In Deutschland und in Österreich scheint der Begriff „Therapeut“ ohne Zusatz (wie etwa Psychotherapeut, Ergotherapeut…) nicht geschützt zu sein. Das bedeutet, dass jeder sich als Therapeut:in bezeichnen kann, ohne dass dafür ein abgeschlossenes Studium oder irgendeine Form an fachlicher Kompetenz notwendig wäre. Das kann einerseits gefährlich werden, andererseits ist es für manche ein willkommenes Marketing-Tool. Denn womit assoziieren die meisten Menschen den Begriff „Therapie“ oder „Therapeutin“? Richtig, mit akademischer Ausbildung, Fachwissen und medizinischer Behandlung. Durch das Verwenden dieser Begriffe werden demnach bewusst oder unbewusst zwei Anscheine erweckt:
- Die Person (aka Therapeut:in) verfügt über fachliche Kompetenz.
- Die Behandlung (aka Therapie) gleicht einem medizinischen Heilverfahren.
Natürlich gibt es unzählige Energetiker:innen, die über fachliche Kompetenz verfügen. Allerdings ist Kompetenz keine Grundvoraussetzung, professionell tätig zu sein. Und genau deswegen möchte ich auf den irreführenden Gebrauch von Begriffen wie „Therapie“ und „Therapeut“ aufmerksam machen!
Die Humanenergetik – ein freies Gewerbe
Die Humanenergetik gehört in Österreich zu den sogenannten freien Gewerben. Das bedeutet, dass bis dato keinerlei Nachweise über etwaige Ausbildungen notwendig sind. Dies birgt etliche Vor- und Nachteile, welche jedoch den Rahmen dieses Beitrages sprengen würden. Aktuell setzen sich zwar einige Organisationen für die Institutionalisierung der Reiki-Ausbildung ein, doch bis jetzt gibt es keine einheitlichen Ausbildungskriterien. Die Qualität einer Ausbildung wird demnach nicht durch äußere Rahmenbedingungen garantiert. Doch neben einer guten Ausbildung ist vor allem die eigene, regelmäßige Praxis von größter Relevanz. Und die ist nun sicherlich schwierig zu überprüfen. Reiki ist kein Ziel, sondern ein Lebensweg. Im Endeffekt ist kein Zertifikat, kein Diplom eine Garantie dafür, dass eine Person seriöse Arbeit leistet (diese Aussage trifft übrigens nicht nur auf die Humanenergetik zu). Aber wie sonst kann man die Qualität von Energiearbeit steigern und/oder zumindest prüfen?
Wie die WKO versucht, die Qualität im Bereich der Humanenergetik zu regulieren
Vor kurzem hat der Fachverband der persönlichen Dienstleister ein neues, fakultatives Programm namens “Berufliche Sorgfalt” veröffentlicht, um die Qualität der Angebote von Humanenergetiker*innen zumindest minimal zu beeinflussen. Diese Fortbildung ist wie gesagt freiwillig und basiert auf 4 Modulen. Darin geht es u.a. darum, ein Verständnis für das Berufsbild an sich, für die Berufsethik sowie die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu vermitteln. Gleich im ersten Kapitel geht es um die „österreichische Gesundheitslandschaft“. Hier wird gleich einmal der wesentliche Unterschied zwischen sogenannten gesundheitsbezogenen Berufen (zu denen die Humanenergetik gehört) sowie den Gesundheitsberufen (Mediziner*innen, Psychotherapeut*innen usw.) skizziert. Denn es in dieser Hinsicht scheint es immer noch Missverständnisse zu geben, wer was darf oder eben nicht darf, und wer sich wie nennen darf.
„Vermeiden Sie Begriffe wie „Therapie“ und „Therapeut“
In den Unterlagen wird den Humanenergetiker*innen dann ganz explizit davon abgeraten, Begriffe wie „Therapie“ und „Therapeut“ zu verwenden, um etwaigen Missverständnissen mit Interessenten vorzubeugen. Genau wie oben bereits dargelegt wurde, verweist auch die WKO darauf hin, dass diese Begriffe im Normalfall mit fachlich ausgebildetem Personal und der Behandlung von Krankheiten assoziiert werden. Leider werben immer noch viele Energetiker*innen mit falschen Heilversprechen. Ich möchte an dieser Stelle nicht behaupten, dass Energiearbeit in keiner Weise gegen körperliche Beschwerden helfen kann. Doch Fakt ist, dass die Heilung auf körperlicher Ebene nach aktuellem wissenschaftlichen Stand noch nicht ausreichend nachgewiesen ist. Es gibt zwar etliche wissenschaftliche Studien und Beiträge sowie unzählige persönliche Erfahrungsberichte, welche die heilende Wirkung von Reiki augenscheinlich belegen. Allerdings sind diese immer noch nicht fundiert genug, um von empirischer Evidenz sprechen zu können. Charly Lechner, der aktuelle Berufsgruppensprecher der Humanenergetik, formuliert es folgendermaßen:
“[…] es [ist] nicht unsere Aufgabe, das oft Unerklärliche mit vagen Andeutungen und Halbwissen “wissenschaftlich“ zu interpretieren. Wir können ruhig zugeben, dass wir oft selbst nicht wissen, wieso etwas funktioniert. Aber es ist so. Die Wirkung wird wahrgenommen, sie wird erlebt und hinterlässt oftmals ein großes Fragezeichen, getragen durch Erleichterung in den Augen unserer Klienten. Wir Energetiker nützen die Energie des Geistes, der Seele und des Körpers und wir streben nach dem Wissen um das “Warum?“. Aber Holz schwimmt auf Wasser, auch wenn Archimedes nicht geboren worden wäre.”[1]
Heureka – wir haben es (noch nicht) gefunden
Auch wenn das kollektive, wissenschaftlich anerkannte Heureka im energetischen Bereich derzeit noch ausbleibt, so haben doch unendlich viele Menschen bereits sehr bereichernde, individuelle Erfahrungen gemacht. Eine Klientin von mir hat es einmal sehr gut auf den Punkt gebracht:
„Eigentlich bin ich Atheistin und glaube nur an das, was wissenschaftlich nachgewiesen ist. Aber ich glaube auch an das, was ich selber spüre.”
Und in der Tat, es ist nicht zwingend unsere Aufgabe, unsere angewandten Methoden wissenschaftlich nachzuweisen. Aber es ist unsere Aufgabe, unsere Klient*innen ehrlich und seriös über Wirken und Nicht-Wirken aufzuklären, und dabei sensibel mit unserem Wortgebrauch umzugehen. Damit wir eben keine falschen Heilversprechen abgeben. Wahrscheinlich können die wenigsten Masseur*innen detailliert erklären, inwiefern die von ihnen angebotene Massage wissenschaftlich, empirisch belegt wirksam sind. Und wahrscheinlich ist es den meisten Menschen ziemlich egal, Hauptsache der wohltuende Effekt ist spürbar. Aber wie kann man diesen wohltuenden Effekt in Worten gefasst korrekt vermitteln?
Warum sprechen manche von Reiki “Therapie”?
„Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“
Ludwig Wittgenstein, ein bedeutender britisch-österreichischer sprachanalytische Philosoph, war der Auffassung, dass philosophische Probleme im Grunde sprachliche Probleme waren. Kann man nur das begreifen, was man in Worte fassen kann? Wie lässt sich die Philosophie der Humanenergetik in Worte fassen? Wie kann ich das wortwörtlich Ungreifbare erklären? In der Humanenergetik ist es so bereits schwer genug, gewisse Dinge in Worte zu fassen. Vieles was man spürt und erlebt, versteht man selbst nicht so genau. Es sind Erfahrungen und Gefühle, die sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne unfassbar sind. Es ist demnach verständlich, dass viele Praktizierende von „Therapie“ sprechen und sich selbst als „Therapeut*in“ bezeichnen, da man ja in irgendeiner Form von der angebotenen Dienstleistung reden muss. Und zwar mit Worten, die die Allgemeinheit versteht, denn man möchte ja auch neue Menschen mit seinen Methoden erreichen, die bis dahin vielleicht noch nie was von Humanenergetik gehört haben. Leider liegt wie wir gesehen haben, genau hier die Gefahr oder das Problem. Beim Wortgebrauch sollte man, um Missverständnisse zu vermeiden, generell vom Verständnis der Allgemeinheit ausgehen. Und wie bereits erwähnt, verbinden die meisten Menschen mit „Therapie“ und „Therapeut“ etwas anderes, als das was vielleicht gemeint ist.
Reiki Therapeutin & Reiki Therapie – Ein vorübergehendes Fazit
Die Energiearbeit steht, zumindest in unserem Breitengrad, immer noch in den Kinderschuhen was Popularität und Anerkennung angeht. Da ist man einerseits bemüht, durch den Gebrauch bekannter Begriffe, etwa dem der Therapie, Aufklärung über die existierenden Behandlungsformen zu verschaffen, andererseits möchte man ein seriöses Image aufbauen, indem man klare Grenzen zu anderen Berufen zieht. Paradoxerweise kann die Eigenbezeichnung als Therapeut*in dem Image der Humanenergetiker*innen sowohl helfen als auch schaden. Entweder kann uns vorgeworfen werden, dass wir Quacksalber*innen sind, wenn wir von Therapie sprechen und somit eventuell indirekt falsche Heilversprechen abgeben. Andererseits wird der Sinn unserer Arbeit hinterfragt, wenn wir uns immer nur mit Nicht-Begriffen ausdrücken, wie unlängst in einem ORF-Beitrag ein Zitat von Krista Federspiel deutlich gemacht hat: „Ein Beruf, der durch Negation definiert ist – nicht Therapien, nicht Diagnosen erstellen und nichts wissenschaftliches anbieten (…) Da fragt man sich wirklich, was ist das für eine Basis für einen Beruf, der sinnvoll sein soll.“ [2] An dieser Stelle können wir getrost darauf verzichten, eine ewig lange Liste an Berufen aufzuzählen, dessen Sinnhaftigkeit man hinterfragen könnte. Berufe, dessen sozioökonomischen und ökologischen Schäden kaum in Worte zu fassen sind. Genau wie die Wirkungsweise und positiven Effekte von Energiearbeit. Du hast Lust, dich selbst vom unerklärbaren Potential einer Reiki Behandlung zu überzeugen? Dann kontaktiere mich gerne für eine Terminvereinbarung!
[1]https://www.wko.at/branchen/w/gewerbe-handwerk/persoenliche-dienstleister/humanenergetiker/Berufsgruppensprecher-Humanenergetik-Herbert-Lechner.html
[2] ORF.at. (24. März 2022). Laute Kritik am Energetik-Gewerbe. wien.ORF.at. Abgerufen am 15. Juni 2022, https://wien.orf.at/stories/3148962/